11. KAPITEL
Das Innenleben Jesu während der Krankheit und dem Tode des heiligen Joseph
Joseph am Ende seines Lebens*
Als das dreissigste Jahr Meines Lebens sich näherte, kam das Lebensende Josephs, Meines Pflegevaters. Er war von Meinem himmlischen Vater überaus geliebt, ebenso von Mir und Meiner Mutter, seiner reinsten Braut. Ich vernahm von Meinem Vater, dass Er Joseph mit einer langwierigen, schweren Krankheit heimsuchen wolle, damit er sich um so grössere Herrlichkeit im Himmel verdiene. Gewiss hatte Joseph sich schon zahlreiche Verdienste erworben durch Tugendübung und viele Drangsale. Er lebte stets in der Freundschaft mit Gott und erhielt sich immer keusch. Aber weil der Vater Mich und Meine Mutter in seine Obhut gegeben hatte, wollte Er ihn auch mit einzigartiger Herrlichkeit auszeichnen. Diese kann aber nur durch Leiden erworben werden, und deshalb gab Mein Vater dem Joseph am Ende seines Lebens noch Gelegenheit dazu. Während der Vater Mich schauen liess, welche Leiden Er Joseph schicken werde, empfand Ich'tiefen Schmerz in Meiner Seele. Da Ich Meinen Pflegevater wegen seiner Tugendhaftigkeit überaus liebte, und weil Ich immer bei ihm war und er so viel für Mich getan hatte, fühlte Ich grosses Mitleid für ihn. Ich sah aber den Lohn, der ihm bereitet würde, sowie seinen Vorrang vor jedem Seligen des Himmels.
Dankbarkeit des Heilandes für Joseph
Ich erkannte Meine Pflicht Joseph gegenüber; war er doch so lange Zeit hindurch Mein Ernährer und Behüter. Unter welchen Mühen und Gefahren hatte er Mein Leben durch die Flucht nach Ägypten gerettet, und wie viele andere Schwierigkeiten ertrug er mit Grossmut und Liebe um Meinetwillen! Darum wollte Ich ihm am Ende seines Lebens mehr denn je Meine Liebe und Dankbarkeit beweisen. Ich bat den göttlichen Vater, Er möge Joseph vor allem grosse Ergebenheit in Seinen Willen schenken, wie auch Mut im Leiden und Beharrlichkeit bis zum To<j<“. Besonders betete* Ich, dass er seine Krankheit mit Fröhlichkeit des Geistes ertragen könne, dass er mit allem Nötigen versorgt sei und seine Seele noch mit grossen Verdiensten bereichert werde. Alles versprach Mir der Vater. Joseph war würdig, diese Gnaden zu empfangen, da er zeitlebens Gott getreu war.
* Näheres darüber im Buch: «Das Leben des heiligen Joseph» von M.C.Baij, Verlag Reisinger, A-4600 Wels; für die Schweiz: Christiana-Verlag, 8260 Stein am Rhein; für BRD: Hacker, 8031 Gröbenzell, Postfach 128.
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Ich bat den göttlichen Vater, Er möge im Hinblick auf Meine Dankbarkeit und Liebe zu Joseph auch Meinen Brüdern und Schwestern dankbare Gesinnung eingeben zu allen Menschen, denen sie verpflichtet sind; besonders aber den Kindern ihren Eltern gegenüber, damit sie ihnen in Not und Krankheit beistehen. Da in dieser Beziehung sehr viele fehlen, opferte Ich dem Vater Mein Wirken für sie auf, was Ihm sehr willkommen war. Als Ich Ihn zufriedengestellt sah, bat Ich aufs neue, Er möge den undankbaren Kindern noch mehr Gnade geben, damit sie ihre Pflicht und Schuldigkeit den Eltern gegenüber erkennen. Daraufhin liess der Vater Mich sehen, wie Er Meine Bitten erfüllt. Aber dennoch lassen so viele Kinder sich von Lieblosigkeit und Eigennutz beherrschen. Darüber war Mein Vater sehr erzürnt; Er verlangt von ihnen wahre, herzliche Dankbarkeit. Ich flehte Ihn an, Er möge sie nicht nach Gebühr strafen. Wegen Meines innigen Flehens liess Sich der Vater besänftigen und zeigte Sich ihnen gnädig. Ich unterliess es nicht, Ihm dafür zu danken.
Die hochherzige Liebe Mariens
Ich betete auch für Meine geliebte Mutter um Kraft und Ergebenheit in der Trübsal, die ihr durch die Krankheit Josephs bevorstand. Obwohl sie ihr Leben lang den göttlichen Willen erfüllt hatte, erbat Ich ihr diese Gnaden aus Dankbarkeit, denn es gefiel Mir, sie immer mehr mit Gnaden bereichert zu sehen. Ich sprach mit Meiner Mutter über die bevorstehenden Leiden ihres geliebten Joseph. Ich ermunterte sie zur Geduld und versicherte sie Meines ständigen Beistandes. Sie nahm diese traurige Mitteilung ergebenst an und war bereit, gerne alles auf sich zu nehmen, was der göttliche Vater ihr schicken würde. Meine Mutter benützte jede Gelegenheit, Tugend zu üben. Es schmerzte sie aber, dass Joseph nun sehr leiden müsse. Sie bat Mich, falls es möglich sei, von Meinem Vater zu erbitten, dass alle Schmerzen Josephs auf sie übertragen würden. Ich erklärte ihr, dass dies nicht der Wille Meines Vaters sei.
Diese hochherzige Liebe Meiner Mutter brachte Ich dem Vater dar, weil Ich dadurch ihr Verdienst vermehrte. Er freute Sich sehr darüber. Ich bat Ihn um solch opferbereite Liebe auch für Meine Brüder und Schwestern, auf dass sie sich für ihre kranken Mitmenschen einsetzen, um sie von ihren Übeln zu befreien. Als Ich sah, welche Freude diese Grossmut Meinem Vater bereite, bat Ich umso inniger, Er möge ihnen diese Gnade schenken. Und Er liess Mich sehen, wie freigebig Er Sich diesbezüglich Seinen Geschöpfen erweist. Ich freute Mich beim Anblick einiger, die sich in so hochherziger Weise betätigen. Tiefe Betrübnis hingegen empfand Ich wegen jener Menschen, die ihre Leiden und Trübsale am liebsten auf andere übertragen möchten. Ich bat Meinen Vater, Er möge mit ihnen Nachsicht haben. Wenn aber ihre Bosheit sich über die Massen steigerte, konnte Ich sie bei der göttlichen Gerechtigkeit nicht
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mehr entschuldigen. Ich bemühte Mich nach Kräften, für ihre Vergehen Sühne zu leisten, wodurch Mein Vater mit ihnen wieder versöhnt wurde. Ich dankte Ihm, dass Er um Meinetwillen auch zu so lieblosen Menschen noch barmherzig ist.
Jesus kündet Joseph seinen baldigen Tod an
Nachdem Ich mit Meiner Mutter über diese künftigen Dinge gesprochen hatte, kam Joseph, um mit uns das Lob Gottes zu verrichten. Als wir den Vater gemeinsam verherrlicht hatten, sprach Ich zu ihnen über Seine göttlichen Fügungen. Dabei hob Ich hervor, wie die Menschen frohgemut alles annehmen sollten, was im Wohlgefallen Gottes liege und welch grosse Verdienste sie dadurch erwerben. Indessen bat Ich den Vater, Er möge Joseph erkennen lassen, dass die Zeit seines Todes nahe sei und ihm Mut geben; ja so starken Mut, der dem schwachen Geist des Menschen überlegen ist. Denn die menschliche Natur sträubt sich mit ganzer Kraft gegen das Leid. Mein Vater beeinflusste Joseph in diesem Sinne sehr liebevoll. Durch göttliche Erleuchtung erkannte er nun, dass das Ende seines Lebens nahe sei. Joseph sah Mich mit inniger Liebe an und vergoss Tränen der Freude und des Schmerzes. Er hoffte zuversichtlich, dass Gott, dem er zeitlebens treu gedient und der ihn auserwählt hatte, Mein und Meiner Mutter Behüter zu sein, ihn auch im Himmel begünstigen werde. Es schmerzte ihn aber zutiefst, Mich und seine geliebte Gemahlin verlassen zu müssen. Während Ich zu Joseph sprach, sagte er bei sich: «Mein Sohn! Geliebter Jesus! Ich muss Dich verlassen! Doch ich glaube, dass ich Dich bald als Sieger über den Tod sehen werde und mit Dir im Himmel sein darf.» Seine Gedanken trafen Mein Herz. Ich schaute ihn mit grosser Liebe an und flehte zum Vater, Er möge ihm jetzt Kraft geben. Dann sprach Ich Joseph Mut zu. Meine Worte waren darauf abgestimmt, ihn dem Willen des himmlischen Vaters gleichförmig zu machen, und so wurde er sehr gestärkt.
Nach diesem Gespräch betete Ich allein. Auch Joseph zog sich zurück und opferte sich dem Vater auf, alles zu ertragen, was Er ihm schicken würde. . . ,
Jesus und Maria im Gebet
Während Ich betete, gedachte Ich auch Meiner Brüder und Schwestern. Ich bat den Vater, Er möge ihnen so grosse Gnade schenken wie Joseffh, damit auch sie Seinem Willen ganz ergeben seien. Sie sollten sich mit unerschrockenem Mut in die göttlichen Fügungen schicken, besonders in das Leid und zuletzt in den Tod. Mein Vater liess Mich erkennen, wie Er in solchen Umständen allen Menschen beistehen werde. Ich sah den überfliessenden Reichtum an Gnade, Liebe und Wohlwollen, den Er ihnen geben wird. Darüber hocherfreut, dankte Ich innig. Zu Meinem Leid sah Ich aber auch, wie viele Menschen diese Gnaden geringschätzen, ja sogar
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ablehnen werden, obschon Ich sie ihnen mit viel Mühe und Eifer verdient habe. Ich wünschte von Herzen, sie möchten sich so hohe Werte zunutze machen. Ich opferte dem Vater Meinen Seelenschmerz auf, um für die Vergeudung dieser grossen Gnaden Ersatz zu leisten. Ich bat Ihn, Er möge Meinen Brüdern und Schwestern barmherzig sein, wenngleich sie es nicht verdienen. Und der Vater zeigte Sich gütig zu ihnen wegen Meiner Dankbarkeit, vor allem aber, weil Er Mich so sehr liebte.
Zur gleichen Zeit betete auch Meine geliebte Mutter in ihrer Kammer. Sie war tief betrübt, war aber ganz gottergeben und bereit, Joseph in seiner schmerzvollen Krankheit beizustehen.
Joseph weint
Als wir diese Gebete und Bitten zum Vater beendet hatten, gingen wir zu Joseph. Bei unserem Anblick brach er in Tränen der Freude aus, weil Mein Vater ihn sosehr getröstet und ermutigt hatte. Er weinte aber auch im Schmerz, sich von uns trennen zu müssen. Der himmlische Vater gab Joseph sehr viel Gnade. Dennoch liess Er ihn dieses Leid fühlen, damit er noch mehr Verdienste erwerbe.
Ich schwieg kurze Zeit, ebenso Meine Mutter. Wir wollten Joseph seiner Freude als auch seinem Herzeleid ein wenig überlassen, weil er davon sosehr bewegt war. Auch er schwieg, denn er wusste genau, dass Ich als göttliche Person alles durchschaute und auch Maria davon unterrichtete. Joseph war unserer Liebe sicher, weshalb er die Gewissheit hatte, dass wir ihm in seinen Nöten mit ganzer Sorgfalt beistehen werden, besonders in der Stunde des Todes. Denn auch er war sein Leben lang darauf bedacht, uns alles Notwendige zu verschaffen.
Bitten des Heilandes
Bei diesem Anlass betete Ich innig für alle Meine Brüder und Schwestern. Ich wünschte ihnen von Herzen, dass sie am Ende ihres Lebens den Trost geniessen dürften wie Joseph, nämlich Mich und Meine Mutter als Fürsprecher beim Vater zu haben und im Augenblick des Todes unseren besonderen Beistand zu erfahren. Aber in dieser Angelegenheit fand Ich grosse Schwierigkeiten. Nicht deshalb, weil Mein Vater nicht bereit wäre, diese Gnade zu bewilligen, sondern weil ein Mensch, der seine Pflichten Gott gegenüber im Leben nicht erfüllt hat, im Augenblick des Todes diese Sicherheit nicht haben kann. Joseph war stets darauf bedacht gewesen, seinen Schöpfer zu verherrlichen und dessen Willen zu erfüllen. - Es schmerzte Mich, dass Ich beim Vater nicht erreichen konnte, was Ich von Herzen wünschte. Ich flehte zu Ihm, Er möge alle Menscher! erleuchten und ihnen Gnade geben, ihre Pflichten Ihm gegenüber zu erkennen und zu erfüllen, damit sie beim Sterben jenen Trost erfahren wie Joseph. Zu Meinem grössten Schmerz musste Ich aber sehen, wie beinahe alle diese
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Erleuchtung von sich weisen. Ganz beschämt flehte Ich abermals, der Vater möge ihnen noch mehr Licht und Gnade schenken. Als Er Mich in solcher Bedrängnis sah, erhörte Er Mein Flehen. Ich dankte Ihm für Seine grenzenlose Güte.
Gänzliche Ergebenheit
Joseph war ganz der Tröstung und dem Schmerz hingegeben. Ich sprach zu ihm mit überwältigender Liebe und ermutigte ihn, alles anzunehmen, was Mein Vater ihm schicken würde. Ganz ergeben, betete er den göttlichen Willen an. Dasselbe taten Ich und Meine Mutter. Dann bat Ich den Vater inständig, Er möge allen Menchen, die von ihren Lieben scheiden müssen, die Gnade der Ergebung in Seinen heiligen Willen schenken. Weil Ich wusste, dass die meisten sich am Ende ihres Lebens dagegen sträuben, bat Ich um noch mehr Gnade für sie kraft dessen, was Ich und Meine Mutter in diesen schweren Stunden erwirkt haben. Und da Meine Werke dem Vater höchst wohlgefällig waren, erfüllte Er auch diese Bitte. Es schmerzte Mich aber als Ich sah, dass viele Menschen diese Gnaden, die Ich ihnen mit so grosser Liebe erworben habe, nicht benützen.
Lobgesang
Wir sangen nun zusammen dem göttlichen Vater ein neues, von Mir verfasstes Loblied. Er verlieh Seinem Wohlgefallen darüber Ausdruck, indem Er dabei die Seele Josephs und Mariens in ein Meer von Freuden tauchte. Nach diesem Gesang hörten wir die Worte des Vaters: «Das ist Mein geliebter Sohn, an Ihm habe Ich Wohlgefallen.» Indessen wurden Maria und Joseph zur göttlichen Beschauung erhoben. Sie erkannten darin viele Geheimnisse Meiner Gottheit. Während sie sich dieser Gunst erfreuten, opferte Ich dem Vater unseren Lobgesang auf im Namen Meiner Brüder und Schwestern zum Ersatz für ihre Unterlassungen im Lobe Gottes. Sie müssten Seine Fügungen loben und preisen, aber sie murren darüber und beleidigen Ihn sehr. Da Ich für die Ehre Meines Vaters eiferte, suchte Ich Ihn zufriedenzustellen und wünschte, dass Seine Gerechtigkeit durch Meine Aufopferungen für immer versöhnt würde. Dies geschah auch; denn Meine Werke waren dem Vater überaus wohlgefällig und daher von unschätzbarem Wert.
Dann lobte und pries Ich den Vater im Namen der Menschen für alles, was Er durch Mich vollbrachte; es war ja zu ihrem Vorteil. Der göttliche Vater nahm das Lob in diesem Sinne an und zeigte Sich ihnen gegenüber als liebevoller, gütiger Vater, worüber Ich Mich sehr freute. Tiefe Betrübnis dagegen bereitete Mir die Verkehrtheit so vieler Menschen, die sich Ihm gegenüber wie trotzige, widerspenstige Kinder benehmen. Ganz beschämt rief Ich zu Ihm: «Mein Vater, verzeihe ihnen; sie erkennen nicht, was sie tun; entziehe ihnen nicht Dein Erbarmen; strafe sie nicht nach Gebühr, sondern ertrage sie Mir zuliebe! Ich bitte Dich: entlade
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über Mich die Strafe, die sie verdienen würden. Sieh Mich bereit, Dir jene Genugtuung zu leisten, die Deine Gerechtigkeit verlangt.» Mein Vater nahm dieses Angebot wohlgefällig an und sagte, es würde die Zeit kommen, wo Er Mir alle Sühne auferlegen werde, nachdem Ich Mich dazu bereit erklärt habe. All dies tat Ich aus Liebe zu Meinen Brüdern und Schwestern und zur Verherrlichung Meines Vaters.
Danksagung
Nachdem Maria und Joseph sich der Gottesschau erfreut hatten, fühlten sie sich Meinem Vater zu grossem Dank verpflichtet. Sie baten, Ich möge in ihrem Namen dafür danken, denn sie hielten ihren Dank für ungenügend. Ich erfüllte gerne ihren Wunsch. Meinem Vater gereichte dieser Akt, sowie alle, die Ich Ihm namens Meiner Brüder und Schwestern leistete, zu grosser Freude. Deshalb bat Ich Ihn um folgendes: Wenn die Menschen Mich bitten, Ich möge dem himmlischen Vater für Seine Wohltaten an ihrer Statt danken, dann möge Er diesen Dank so annehmen wie jetzt, als Ich es an Stelle Meiner Mutter und Josephs tat. Da sie aber eine viel geringere Bedeutung haben als diese heiligen Personen, möge Er dabei auf Mich, Seinen eingeborenen Sohn schauen. Ich betete auch, der Vater möge Meinen Brüdern und Schwestern oft den Gedanken eingeben, Mich zu bitten, an ihrer Statt zu danken für alles Gute, das sie beständig aus Seinen Händen empfangen. Ich bin immer dazu bereit.
Abendessen
Es war bereits späte Stunde. Wir assen unserer Armut entsprechend. Joseph konnte sich dabei an Mir nicht sattsehen. Er sagte bei sich: «Jesus, mein Herr! Ich werde also nicht mehr lange die Freude haben, mit Dir bei Tisch zu sein.» Beim Anblick seiner Gemahlin dachte er ebenso. Dabei hatte er ein heiteres Antlitz. Sein Herz war nicht verbittert, sondern grossmütig durch die besondere Gnade, die wir ihm vom göttlichen Vater erbeten hatten.
Ich wusste, was im Herzen Josephs vorging. Deshalb flösste Ich ihm Kraft und Mut ein. Auch Maria durchschaute seinen Schmerz und betete für ihn. Dennoch litt er sehr darunter; wir beide waren ja seine ganze Liebe. Joseph spürte im Innern starken Zwiespalt. Aber mit der Gnade überwand er seinen Liebesschmerz und machte sich dem Willen Gottes gleichförmig. Ich bewunderte ihn, als er so tapfer kämpfte und bat Meinen Vater, Er möge ihm dafür einige Sänger vom Himmel schicken, die sein Herz mit überirdischen Weisen erfreuen. Tatsächlich vernahm Joseph himmlische Lieder, die ihn einluden, bei Abraham zu ruhen, wobei er sehr ermutigt und gestärkt wurde. Diese himmlischen Gesänge liessen in ihm grosse Sehnsucht nach dem Sterben zurück, wie auch das Verlangen, den göttlichen Willen zu erfüllen.
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Es darf niemand wundernehmen, dass Mein Vater Engel gesandt hat, um Joseph zu trösten. Sicherlich hätte Ich ihm alles bieten können, was er in seinem Zustand ersehnen konnte. Da aber seine Seele noch nicht in das Himmelreich gelangen konnte, bis Ich es durch Meinen Tod eröffnete, liess Mein Vater ihn öfter diese überirdischen Weisen hören, damit er sich um so mehr nach jener Seligkeit sehnte. Ich hatte Joseph diese Gunst erbeten. Er sollte einen Vorgeschmack jener Herrlichkeit geniessen, weil er sein Leben lang für Mich gesorgt hatte.
Bei dieser wunderbaren Begebenheit bat Ich den himmlischen Vater, Er möge alle Seine getreuen Kinder am Ende ihrer Tage die Melodien der Engel hören lassen, damit ihre Sehnsucht nach dem Himmel um so inniger würde. Mein Vater versprach dies für alle, die Ihm treu dienen und Ihm zuliebe sich der weltlichen Genüsse enthalten.
Joseph wird krank
Als Joseph die himmlischen Weisen vernommen hatte, war er noch eine Zeitlang ganz in Gott versenkt. Dann sagten wir gemeinsam dem Vater Dank für diesen wunderbaren Erweis Seiner Huld. Joseph bedankte sich auch bei Mir, denn er wusste, dass Ich ihm diese Gunst erbeten hatte. Hierauf begaben wir uns zur Ruhe.
Während Joseph schlief, betete Ich um das Heil des Menschengeschlechtes. Meine geliebte Mutter betete auch; sie wollte ja immer im Gebete mit Mir vereint sein. Indessen erwachte Joseph, da er von grossen Schmerzen befallen wurde. Es war der Wille des Vaters, dass er am Ende seines Lebens noch mehr jene Tugenden übe, die gerade während der Krankheit so verdienstvoll sind. Joseph ertrug die Schmerzen mit grosser Geduld und dankte dem himmlischen Vater, dass Er ihm diese Krankheit geschickt hat. Ich betete, dass er sie bis zum Tode so heldenmütig ertrage. Auch Meine Mutter betete in diesem Sinne. Als Joseph sich in solchen Schmerzen befand, wünschte er, wir möchten zu ihm kommen. Er wagte es aber nicht, uns zu rufen. Der göttliche Vater wollte, dass Sein getreuer Diener diese Leiden eine Zeitlang ohne Tröstung ertrage, um seine Geduld zu prüfen.
Während Joseph voll Sehnsucht nach Mir und Meiner Mutter war, betete Ich zum Vater, dass auch Meine Brüder und Schwestern in ihren Leiden nach unserer Hilfe rufen möchten. Spüren sie diese aber nicht sogleich, sollten sie in Geduld und Ergebenheit warten, wie Joseph es getan hat. Der göttliche Vater will Seine Kinder gerade zur Zeit der Krankheit in der Geduld und Treue prüfen. Sie sollten diese Gelegenheit benützen, Tugend zu üben und sich unvergängliche Verdienste zu sammeln. Sie sollten aber auch um übernatürlichen Trost bitten. Der himmlische Vater weiss um die menschliche Schwäche. Er versprach Seinen Beistand für alle Menschen, aber sie vertrauen zu wenig oder gar nicht darauf. Die meisten
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suchen den Trost nur bei ihren Mitmenschen. - Beim Morgengrauen gingen wir zu Joseph. Wir trösteten ihn auf liebevollste Weise. Dann beteten wir das Lob Gottes, woran auch er sich beteiligte, so gut er konnte.
Liebevoller Beistand
Nach Verrichtung der Lobgebete machte Ich dem Vater die Aufopferungen wie immer. Meine geliebte Mutter bereitete eine Stärkung für Joseph. Inzwischen leistete Ich ihm Gesellschaft. Meistens waren wir beide bei ihm. Joseph hatte sich unseren Beistand wohl verdient, da er zeitlebens um uns besorgt war.
Meine Mutter und Ich werden auch jenen Menschen in ihrer Krankheit, besonders aber im Tode beistehen, die sich im Leben in Dankbarkeit an unsere Leiden erinnern. Joseph nahm ja teil an allem, was Ich von Kindheit an gelitten hatte. Darum durfte er am Ende seines Lebens unseren Trost in besonderer Weise erfahren. Ich bat den Vater um diese Gnade für Meine Brüder und Schwestern. Er gewährt sie ihnen, aber nur wenige achten darauf.
Sorge um den Lebensunterhalt
In dieser Zeit kam es Mir und Meiner Mutter zu, für unseren Lebensunterhalt mehr zu sorgen. Ich flehte zum Vater, Er möge unseren Nöten abhelfen. Diese Bitte trug Ich Ihm in tiefster Demut vor. Ich wollte ja immer von Seinen Willensentschlüssen und Seiner göttlichen Vorsehung abhängen, obwohl Ich selber hätte alles wirken können. Der Vater hatte Freude an Meinem Verhalten. Ich opferte Ihm diese Unterwürfigkeit auf zum Ersatz für das geringe Vertrauen Meiner Brüder und Schwestern. Obschon arme, unwissende Geschöpfe, wollen sie sich selbst lenken und leiten. Die meisten denken nicht einmal in Nöten an die göttliche Vorsehung; sie setzen ihr ganzes Vertrauen auf die vergänglichen Güter. Oft werden sie zur Strafe dafür vieler Dinge beraubt. Dann sehen sie sich genötigt, zu Gott ihre Zuflucht zu nehmen. Mein Vater könnte ihnen mit Recht Seine Hilfe verweigern, aber aus unendlicher Liebe und Güte unterlässt Er es nicht, ihnen zu helfen. Ich betete und opferte viel in dieser Beziehung, weshalb der Vater Sich immer wieder gütig erweist.
Leiden Jesu und Mariens
Zur Zeit der Krankheit Josephs mussten auch Ich und Meine geliebte Mutter viel leiden. Wir waren wohl in der Obhut des himmlischen Vaters, aber Er liess es auch manchmal zu, dass wir gar nichts zu essen hatten. Mein Herz verlangte ja danach, alles zu erdulden, was ein ganz armer Mensch erleiden muss. Der Vater tat es auch deshalb, damit Meine geliebte Mutter und Ich jene Tugenden üben konnten, die in solchem Fall geübt werden können und wir jenen grossen Lohn verdienten, den Er
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allen Menschen gibt, die derartiges mit Geduld ertragen. Ich brachte Ihm Meine Verdienste zugunsten der Menschen dar. Obwohl sie dieser in ihrer Undankbarkeit nicht würdig sind, nahm Mein Vater sie an, weil sie von unendlichem Wert waren und Ihm von Mir, Seinem geliebten Sohn, dargeboten wurden. Er freute Sich darüber so sehr, dass, wenn die Bosheit der Menschen auch den Höhepunkt erreichen würde, Er dennoch bereit wäre, sie liebevoll zu umarmen, sobald sie reumütig zu Ihm kämen. Ich flehte inständig zum Vater, Er möge so grosse Barmherzigkeit allezeit walten lassen, und Er versprach es Mir. Ich bot Mich an, Meine Verdienste immer wieder für die Menschen darzubringen, damit Er ihnen reiche Hilfe zur Erlangung ihres ewigen Heiles zukommen lasse.
Liebe des heiligen Joseph
Die Liebe zu Gott entzündete sich im Herzen Josephs so stark, dass er dadurch mehr dahinschmachtete als durch seine Schmerzen. Wenn er Mich anschaute, hatte er Gott, seine ganze Liebe, in Person vor sich. Er betrachtete Mich aber auch als seinen Sohn, obschon Meine Empfängnis durch das Wirken des Heiligen Geistes geschah, weil der himmlische Vater ihn zu Meinem Pflegevater bestimmt hatte. Joseph liebte Mich deshalb auch immer väterlich, ja noch viel inniger als jeder natürliche Vater seine Kinder. In Mir liebte er auch den göttlichen Vater, denn Ich war und bin von Ewigkeit her eins mit Ihm. Joseph liebte Mich als seinen Tröster, Erlöser und einstigen Belohner. Er sah in Mir auch seinen höchsten Richter, was aber in seinem Herzen nicht Furcht, sondern ehrfürchtige Zuversicht erweckte, entsprechend dem guten Einvernehmen, das zwischen uns beiden herrschte. Sein gutes Gewissen half ihm viel, auf Meine Güte und Barmherzigkeit zu vertrauen. Die Liebe Josephs war niemals von Furcht beeinträchtigt, denn er befand sich in steter Freundschaft mit seinem Gott. Es war notwendig, dass die glühende Liebe in seinem Herzen zuweilen gedämpft wurde durch den Schmerz, sich von uns trennen zu müssen. Aber auch dieses Leid wurde ihm versüsst durch seine gänzliche Hingabe in den göttlichen Willen.
Ich erfreute Mich an dieser reinen Seele, die Meinem Vater so lieb und angenehm war. Ich wünschte von Herzen, dass alle Meine Brüder und Schwestern so tugendhaft wären wie Joseph und auch so viele Gnaden erhielten wie er. Darum betete Ich viel. Ich erkannte jedoch ihre Unwüf-digkeit, und deshalb opferte Ich dem Vater Meine Tugenden und Verdienste für sie auf, damit sie Gnade bekommen, so vollkommen leben zu können, wie Er es von ihnen fordert. Der göttliche Vater liess Mich sehen, wie Er ihnen alle notwendigen Gnaden erteilt. Aber sie kümmern sich nicht darum, was Mir sehr weh tat. Nur wenige, die sich Meine Verdienste zunutze machen, brachten Mir einige Erleichterung in Meinem Schmerz. Ihnen schenkt Mein Vater in reicher Fülle alles, worum Ich
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gebeten habe. Mit welcher Liebe blickte Ich sie an! Besonders aber Ilclili Ich für Meine verirrten Brüder und Schwestern; sie lagen Mir sehr am Herzen. Ich bin ja in die Welt gekommen, um alle Menschen zu retten Nach ihrem Tode werden sie erkennen, wieviel Ich für sie gewirkt habe Freilich könnten sie schon zu Lebzeiten bedenken, was Ich durch Mein Leiden und Sterben für sie geleistet habe, denn diese Taten Meiner Lieb« sind jedem, der um Mein Kommen in diese Welt weiss, offenbar. I )i< unbekehrbaren Sünder werden sich einmal schämen, dass all dies für sic umsonst war; umso mehr, als sie dann genau erkennen, wieviel Ich bei Meinem Vater für sie geleistet habe.
Väterliche Hilfe
Als wir in grosser Bedrängnis waren und auch für unseren kranken Joseph nichts mehr zu essen hatten, versorgte der gütige Vater uns durch gute Menschen und im äussersten Notfall durch Engel. In dieser Zeit betete Ic h oft, Er möge Seine väterliche Güte allen kranken, armen Menschen zuwenden, damit sie umso mehr Seine liebende Fürsorge erkennen und Ihm dankbar seien. Sie sollten erfahren, dass Gott eine besondere Sorge um Seine notleidenden Kinder hat. Der himmlische Vater versprach Mir, sie alle auf irgendeine Weise zu versorgen. Da aber so viele Menschen es an Dankbarkeit und Anerkennung fehlen lassen, war Ich darauf bedacht, für sie Genugtuung zu leisten. Mein Vater verlangt von jedem die schuldige Dankbarkeit für Seine Wohltaten. Durch Meine Opferungen wurde Er vollauf zufriedengestellt. Es war für Mich eine grosse Freude, Mittler und Sühnopfer für die Menschen zu sein. Ich wünschte, dass sie diese einzigartige Wohltat anerkennten und Mir Vertrauen entgegenbrächten, damit zwischen uns eine liebevolle Verbindung sei. Das wollte auch Mein Vater. Deshalb bat Ich Ihn um Erleuchtung für diese Menschen. Meine Bitte war nicht ganz umsonst. Ja, manche bemühen sich sogar, für die Undankbaren Genugtuung zu leisten. Ihre edle Gesinnung vergelte Ich mit Gnaden und Liebeserweisen. Ich bat den Vater, Er möge auch fernerhin mit väterlicher Liebe auf sie schauen, denn sie erweisen sich als Meine wahren Brüder und Schwestern. Meine grösste Freude war es, den himmlischen Vater mit den Menschen versöhnt zu sehen.
Danksagungen und Lobgesänge
Wenn wir von der göttlichen Vorsehung unterstützt wurden, sagten wir dem himmlischen Vater viel Lob und Dank. Wir taten es in Gegenwart Josephs, weil auch er mitbeten wollte und sich freute, wenn Gott, der ihn so sehr liebte, gelobt wurde. Dabei gedachten wir der guten Menschen aller Zeiten, besonders unserer Wohltäter. Für sie opferten wir dem Vater unsere Lobgebete auf mit der Bitte, auch ihre zeitlichen Güter zu segnen. Mein Vater liess Mich sehen, wie Er eine besondere Sorge um sie hat,
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niwohl in geistiger als auch in materieller Hinsicht. Ich dankte Ihm für Seme Freigebigkeit, auch im Namen aller, die von Ihm reich gesegnet werden.
Jeden Augenblick Meines Lebens war Ich darauf bedacht, Meinen Brüdern und Schwestern Gutes zu erweisen, wenn sie es auch nicht zu schätzen wissen. Ich erkannte, dass dies die ureigenste Zeit war, ihnen alle (Jnaden zu erwirken, die sie zur Erlangung ihres ewigen Heiles brauchen. Der göttliche Vater hatte Wohlgefallen an Meinem eifrigen Wirken; Er gewährte Mir in Liebe alles, was Ich wünschte. Das brachte Mir grossen Trost. Leider sind es nur wenige, die aus Meinen Verdiensten Nutzen schöpfen.
Jesus als Krankenpfleger
Während Joseph so krank darniederlag, diente Ich ihm in allem Nötigen. Ich gab ihm auch das Essen ein. Meine geliebte Mutter hielt sich zu seinem Tröste immer bei ihm auf und half überall mit. Es machte Mir Freude, Mich im Krankendienst zu üben; Ich tat es mit ganzer Herzlichkeit und Umsicht. Obwohl Meiner Hoheit und Würde als wahrer Sohn Gottes immer bewusst, unterliess Ich es nicht, diese Dienste zu verrichten. Durch die Aufopferung Meiner Handlungen, die dem Vater so lieb und teuer waren, konnte Ich die Fehler Meiner Brüder und Schwestern gutmachen. Ich bat den Vater, allen den Geist der Demut und Liebe zu geben, damit sie es nicht verschmähen, ihren kranken Mitmenschen beizustehen. Da Ich erkannte, wie diese Armen vielfach gemieden und verlassen werden, betete Ich umso inniger. Der liebevolle Vater unterlässt es nicht, die Krankenpfleger erkennen zu lassen, welche Freude sie Ihm bereiten und welches Verdienst sie gewinnen. Aber so viele Menschen halten sich von diesem Dienst fern. Es scheint, als hätten sie für niemanden ein mitleidsvolles Herz. Man wird mit ihnen einmal in gleicher Weise verfahren. Dies fügt Mein Vater zu ihrer gerechten Bestrafung, denn nichts missfallt Ihm so sehr als die Lieblosigkeit. Er wünscht, dass alle Seine Kinder ganz Liebe seien.
Leid und Trost Mariens
Meine geliebte Mutter war sehr traurig als Joseph in grossen Schmerzen lag, jedoch ganz in Gottes Willen ergeben. Es tröstete sie, dass ihr getreuer Gemahl diese Krankheit so heldenmütig ertrug, denn sie wusste, welchen Lohn er dafür erhalten würde. Meine Gegenwart gereichte beiden zur Erleichterung.
Ich betete für Meine Brüder und Schwestern, der Vater möge auch ihnen Trost zukommen lassen, wenn sie betrübt und in Schmerzen liegen. Sie sollten daran denken, dass Ich bei ihnen bin und sie stärken kann. Je heftiger sie die Schmerzen spüren, desto zuversichtlicher sollten sie an Mich glauben. Weil Ich wusste, dass der Glaube ein Gechenk von
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Meinem Vater ist, bat Ich innigst darum für sie alle. Viele Menschen erfahren Trost durch den Glauben an Meine geistige Gegenwart. Aber die meisten glauben nicht daran; sie geben sich ganz ihrem Schmerz und Kummer hin, weshalb ihnen keine Tröstung zuteil wird. Ich bin ganz Liebe zu den Kranken. Während Ich Joseph mit innigem Mitleid anschaute, betrachtete Ich in ihm alle Meine leidenden Brüder und Schwestern. Ich opferte Mich dem Vater für sie auf, bereit, allen beizustehen, die Mich darum bitten.
Joseph, Anwalt der Sterbenden
Joseph hatte das Glück, in seinem Leiden und Sterben unseren Beistand zu haben. Ich wusste, wie selig er sterben werde, weshalb Ich den Vater bat, ihn zum Anwalt der Sterbenden zu machen. Er sollte Meinen Brüdern und Schwestern die Gnade erbitten, unter dem Beistand Jesu, Mariens und Josephs zu sterben. Diesen Liebesdienst sollte er besonders seinen Verehrern erweisen. Dem Vater gefiel diese Bitte, und Er beauftragte Mich, es Joseph zu sagen. Ich dankte dafür an Stelle der Menschen, dass Er ihnen einen so mächtigen Anwalt gegeben hat für die Zeit, wo sie in höchster Not sein werden. Denn im Tode muss die Seele vor dem höchsten Richter erscheinen, um strenge Rechenschaft über alle Werke abzulegen. In diesen Augenblicken sind auch die Angriffe des höllischen Feindes sehr heftig, weshalb die Seele einer mächtigen Hilfe bedarf. Da viele Menschen wegen ihrer Sünden Meinen Beistand oder den Meiner Mutter nicht verdienen, vermittelte Ich ihnen die Fürsprache des heiligen Joseph, damit sie beim Gerichte Gnade finden. Ich sah, dass Joseph sehr beflissen sein würde, und viele durch ihn Barmherzigkeit von Gott erlangen.
Jesus empfiehlt die Seele Josephs dem himmlischen Vater
Als die Stunde gekommen war, in der Joseph sein Leben beenden musste, sagte Ich mit grosser Liebe zu ihm: «Mein liebster Vater und treuester Freund! Nun ist die Stunde deines glücklichen Heimganges gekommen. Scheide von hier und ruhe im Schosse Abrahams. Bringe allen, die dort weilen, die Botschaft, der Erlöser der Welt werde bald als Sieger über den Tod kommen und sie in jenes herrliche Reich führen, das Er ihnen mit Seinem Leiden und Sterben erwerben wird. Getreuer Vater! Du wirst dich eines reichen Lohnes erfreuen wie kein anderer, weil du um Meinetwillen so viel ausgestanden und auch Meine geliebte Mutter so treu behütet hast. Du kannst zufrieden von hier scheiden. Dein Sterben sei glückselig! Mein Vater hat dich zum Anwalt der Sterbenden bestimmt, damit auch sie einen glücklichen Tod haben wie du unter unserem Beistand. Vermittle ihnen diese grosse Gnade. Freue dich, dein Sterben ist
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dem göttlichen Vater wohlgefällig! Ich werde Ihm deine Seele vorstellen, dass sie mit Seinem Segen hinziehe, um für kurze Zeit im Schosse Abrahams zu ruhen. Habe keine Sorge, denn Ich bin bei dir, dich zu trösten und dir alles zu vergelten, was du für Mich getan und gelitten hast. Sorge dich nicht um Meine geliebte Mutter, denn es muss sich an uns der Wille des Vaters erfüllen. Da der Urheber des Lebens mit dir ist, sei dein Tod voll Freude!»
Joseph war ganz darauf bedacht, Meine Worte zu hören. Er brach in Tränen der Freude aus und geriet in Verzückung. Dann empfahl er Mir seine geliebte Gemahlin; mit ihr verbrachte er eine Zeitlang in heiligen Gesprächen. Schliesslich empfahl er Mir seine Seele. Joseph bat um Verzeihung, wenn er in der Sorge um Mich gefehlt habe; er bat, dass die Zeit der menschlichen Erlösung beschleunigt werde. Er nahm auch die Anwaltschaft für die Sterbenden auf sich. Dafür zeigte er sich der göttlichen Vorsehung sehr verpflichtet; konnte er doch durch seine Fürbitten das Heil vieler Seelen erlangen und so dem Wunsche Meines Vaters entsprechen, dass alle Menschen gerettet werden möchten. Das war ja auch Mein sehnsüchtiges Verlangen. Joseph bat noch, Ich möge ihm vom göttlichen Vater Segen und Verzeihung erbitten. Ich segnete ihn in Seinem Namen und verzieh ihm alles, was er durch menschliche Schwäche gefehlt hatte. Obwohl er durch sein geduldiges Leiden von allen Unvollkommenheiten befreit war, wurde seine Seele durch Meinen Segen noch schöner und dem himmlischen Vater sehr willkommen.
Als Joseph sich in den letzten Augenblicken seines Lebens befand, wünschte er, Ich und Meine Mutter mögen ihn segnen. Bei diesem Anlass bat auch Ich ihn um den Segen. So konnte Ich die schöne Tugend der Demut üben. Das gleiche tat Meine geliebte Mutter. Joseph hielt sich für unwürdig, uns zu segnen, aber Ich ermutigte ihn dazu, weil er als Mein Pflegevater und Gemahl Mariens dieses Recht hatte.
Ich bat Meinen Vater, Er möge Engel hierher senden, die das Scheiden Josephs mit himmlischen Weisen begleiten und seine Tugenden besingen. Der liebevolle Vater entsprach Meiner Bitte; Er sah mit Wohlgefallen auf ein so seliges Sterben. Maria und Ich sangen vereint mit den Chören der Engel göttliche Loblieder. Dabei lud Ich die gesegnete Seele ein, den Leib zu verlassen. In diesem Augenblick rief Joseph: «Jesus, Maria!» Dys Kammer war von hellstem Licht erfüllt, und Joseph schied von dieser Erde.
Ich stellte diese schöne, vollkommene Seele dem göttlichen Vater vor. Er erfreute Sich daran, weil sie mit so vielen Verdiensten bereichert war und bestimmte sie für den Aufenthalt bei den Gerechten, bis Ich das himmlische Reich durch Meinen Tod eröffnete. Auch Meine geliebte Mutter durfte sich des Anblickes der gnadenvollen Seele ihres glücklichen Bräutigams erfreuen, wodurch sie in ihrem Schmerz getröstet wurde.
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Das Geheimnis des Todes
Während der Ereignisse, die mit dem Tode Josephs zusammenhingen, dachte Ich auch an Meine Brüder und Schwestern. Ich wünschte, dass auch sie ein so glückseliges Sterben hätten und bemühte Mich darum bei Meinem Vater. Meine Sehnsucht wurde aber nicht gestillt. Der Tod ist der Widerhall des Lebens. Demnach erlangen viele Menschen nur schwer die Gnade eines guten Heimganges. Ich opferte dem Vater Meine Verdienste und Werke auf, damit Er ihnen in diesem Augenblick barmherzig sei. Meine Bitte war nicht für alle Sünder umsonst. So manche von ihnen erfahren die «wunderbare Barmherzigkeit» Gottes. Diese wird ihnen gemäss dem geheimnisvollen göttlichen Gericht zuteil. Die «wunderbare Barmherzigkeit» besteht darin, dass jemand, der ein schlechtes Leben geführt hat, dennoch die Gnade eines guten Todes erhält und gerettet wird. Das geschieht aber nur in Einzelfällen. Ich lobte und pries das grenzenlose Erbarmen des göttlichen Vaters und sagte Ihm dafür innigen Dank im Namen Meiner Brüder und Schwestern. Ich flehte Ihn an, Er möge den Sündern ununterbrochen Gewissensbisse geben, sie zur Bekehrung anregen und erkennen lassen, dass sie kein gutes Ende zu erwarten haben, wenn sie sich nicht rechtzeitig bekehren. Sie können im letzten Augenblick nicht die Gnade einer vollkommenen Reue erhalten. Die Hartnäckigkeit so vieler Sünder verursachte Mir einen unbegreiflichen Schmerz, weil Ich ihr schreckliches Ende voraussah. - Die Gerechten sollten sich befleissen, die Tugenden zu üben, die Gott so wohlgefällig sind, nämlich: Geduld, Ergebung in Seinen Willen, Hoffnung auf Sein Erbarmen, vollkommene Liebe und Sehnsucht nach der ewigen Freude bei Ihm. Damit der Vater dazu Gnade gewähre, bot Ich Mich an, den schmerzvollsten Tod in gänzlicher Verlassenheit durchzumachen. Ich wollte alle Leiden und Bedrängnisse erdulden, die die Menschen ertragen müssen. Der Schmerz des Todes kann ihnen zwar nicht genommen werden, doch wurde er durch Mein Leiden und Sterben sehr erleichtert.
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12. KAPITEL
Das Innenleben Jesu in Nazareth bis zu Seinem Gang in die Wüste
Jesus tröstet Seine Mutter - ihre Tugendhaftigkeit
Nach dem Tode Josephs blieb Ich mit Meiner Mutter allein. Ich sagte zu ihr: «Tröste dich, geliebte Mutter. Der Tod unseres getreuen Joseph war Meinem Vater sehr wohlgefällig. Du hast gesehen, wie glücklich er gestorben ist. Damit du dich aber dem göttlichen Willen ganz gleichförmig machst, sollst du wissen, dass dein Schmerz wegen seines Todes nur ein kleiner Vorgeschmack jener heftigen Schmerzen ist, die du bei Meinem Tode erleiden musst. Doch die Liebe wird dich stark machen; darum sei bereit. In allem aber sei getrost, denn so will es Mein Vater. Du allein wirst Meine treue Begleiterin in den Leiden sein. Die kurze Zeit, die wir noch beisammen sein werden, will Ich dir ganz ergeben sein. Befiehl Mir als deinem Sohn; berücksichtige dabei nicht sosehr Meine Gottheit. Nur wenn der himmlische Vater Mir einen Auftrag erteilt, muss Ich Ihm folgen; das aber werde Ich dir sagen. Betrachte Mich als dir gehörig. Ich werde dir als Sohn gehorchen; Ich werde dich als Bräutigam deiner Seele trösten; Ich werde dich als Vormund versorgen; Ich werde dein Beschützer sein, und Mein Vater wird immer auf uns als Seine treuen, geliebten Kinder schauen. Wohin immer du gehst, werde Ich dich begleiten, bis die Zeit kommt, den Befehl Meines Vaters auszuführen. Dann werden wir zwar voneinander getrennt, aber du wirst getröstet sein durch Meine Liebe und Ich durch die deine.»
Nach diesen Worten wurde die geliebte Mutter vom Schmerz der Liebe getroffen. Sie warf sich Mir zu Füssen und sagte ganz ergeben: «Jesus, mein Herz ist bereit, alles zu ertragen, was mir der göttliche Vater schickt. Ich bitte Dich nur, verlass mich nicht und lasse mich teilnehmen an Deinen Leiden.»
Es möge niemand wundernehmen, dass Ich Meine geliebte Mutter an ihre künftigen Leiden erinnerte, obschon sie zur Zeit durch den Tod Josephs sehr betrübt war; sie hatte ja ein grossmütiges, standhaftes Herz. Gerade grossen Seelen werden starke Leistungen auferlegt. Darum wollte Ich den Mut Meiner Mutter prüfen und sie gleichzeitig mit Verdiensten bereichern. Sie sollte sich im Ertragen jener Leiden üben, die sich im Laufe der Zeit auf das Höchste steigerten, um zur Bewunderung der Engel und Menschen zu dienen. Während Ich ihr sagte, was uns noch alles bevorstehe, bat Ich den göttlichen Vater um Kraft für sie. Meine geliebte Mutter war sehr weise, starkmütig und klug.
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